Welche Art von Bibliothek wird geplant?
Die künftige Kantons- und Stadtbibliothek St.Gallen soll sich an zentraler städtischer Lage als eine moderne, bildungsorientierte Institution positionieren und wichtige Entwicklungen im Bibliothekswesen umsetzen. Grundlegend wird sie sich am Modell der Public Library ausrichten, indem sie der ganzen Bevölkerung Medien für Unterhaltung, Freizeit, Bildung, Ausbildung und wissenschaftliches Arbeiten zur Verfügung stellt und damit die Bedürfnisse einer Vielzahl an Zielgruppen berücksichtigt. Die Bibliothek wird gemäss Konzept einen hybriden Bestand aus physischen und digitalen Medien anbieten und diesen im Einklang mit den Nutzerbedürfnissen in Richtung des Digitalen weiterentwickeln. Sie soll gut ausgestattete Räume für die Lektüre und das Lernen, aber auch für den Besuch vielfältiger Veranstaltungen sowie für das freie und kreative Arbeiten mit Medien zur Verfügung stellen. Mit unterschiedlichen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, verschiedene Berufs- und soziale Gruppen soll sie sich als Aufenthalts- und Begegnungsort profilieren, der nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, sondern auch diejenigen des ganzen Kantons bei einem Stadtbesuch anzieht. Mit einem Café und Öffnungszeiten auch am Abend und an Sonntagen soll die Bibliothek zur Belebung der Innenstadt beitragen.
Warum braucht es eine neue Bibliothek?
Im kantonalen Bibliotheksgesetz ist geregelt, dass die Regierung in Absprache mit dem Stadtrat St.Gallen dem Kantonsrat «innert angemessener Frist […] eine Vorlage über Errichtung, Trägerschaft, Organisation und Finanzierung der Kantons- und Stadtbibliothek» vorlegen.
Kantons- und Stadtbibliothek sind derzeit auf drei Standorte verteilt. Die Nutzenden und Mitarbeitenden müssen zwischen Katharinengasse, Hauptpost und Notkerstrasse hin- und herpendeln. Die Kinder- und Jugendbibliothek an der Katharinengasse ist von der Erwachsenenbibliothek in der Hauptpost getrennt. Wissenschaftliche Nutzerinnen und Nutzer der Sammlungen in der Vadiana müssen begleitende Sekundärliteratur in der Bibliothek Hauptpost holen oder dort vor Ort einsehen. Hinzu kommen zwei Magazine, von denen Medien in die Hauptpost und zurück geliefert werden.
Auch für die interne Organisation stellen die vielen Standorte eine Erschwernis dar. Das verursacht hohe Kosten, etwa für den Kurier, und ist wenig benutzerfreundlich. Ganz generell entstehen durch die parallele Führung von zwei Betrieben viele Reibungsverluste und zu wenig Synergien. Die Bibliothek Hauptpost ist deshalb nur ein Provisorium.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Kanton, Stadt und Helvetia Versicherungen haben den Architekturwettbewerb im Juni 2021 abgeschlossen. Das Projekt samt Bau- und Betriebskosten sowie der künftigen neuen Trägerschaftsform von Kanton und Stadt wird Kantonsrat und Stadtparlament voraussichtlich 2023 vorgelegt. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten von Kanton und Stadt St.Gallen im Jahr 2024. Mit einem Baubeginn wird nach den parlamentarischen Beratungen und Volksabstimmungen in Kanton und Stadt 2025/2026 gerechnet. Der Bezug der neuen Bibliothek ist gemäss aktuellem Fahrplan 2028/2029 geplant.
Was wird aus der Hauptpost, falls die neue Bibliothek am Standort «Union»/Blumenmarkt errichtet wird?
Die Hauptpost soll bis auf weiteres als Provisorium für verschiedene kantonale Einrichtungen zur Verfügung stehen. Das Baudepartement wird künftige Nutzungsmöglichkeiten der Hauptpost in Abstimmung mit den Planungen zum Areal «Bahnhof Nord» prüfen.
Wie werden die Gebäude der Kantonsbibliothek Vadiana und der Stadtbibliothek Katharinen zukünftig genutzt?
Die künftige Nutzung der Gebäude ist noch offen. Die Klärung steht an, wenn die Vorbereitung der Neuen Bibliothek schon weiter ist.
Was passiert mit der Vadianischen Sammlung?
Die Vadianische Sammlung und die beiden Stadtarchive sollen auch künftig an einem Standort verbleiben. Ein Umzug an den Standort Union wäre mit erheblichen Kosten verbunden und ist deshalb nicht geplant. Der Verbleib am bzw. Wegzug vom heutigen Standort Notkerstrasse hängt von dessen künftiger Nutzung ab. Die Vadianische Sammlung der Ortsbürgergemeinde (OBG) wird bibliothekarisch von der Kantonsbibliothek betreut; die Ortsbürgergemeinde hat eine Forschungsstelle eingerichtet, die eng mit den Stadtarchiven zusammenarbeitet.
Wie hoch sind die Kosten für die Erstellung der neuen Bibliothek?
Kanton und Stadt rechnen aktuell mit Kosten von 137 Millionen Franken.
Was bringt die neue Bibliothek in der Stadt den ländlichen Gebieten und den Gemeinden im Kanton?
Die künftige Bibliothek wird allen Einwohnern und Einwohnerinnen im Kanton umfassende bibliothekarische Dienstleistungen anbieten. Schon jetzt können alle Bewohner des Kantons mit Bibliotheksausweis in der Kantonsbibliothek Tag und Nacht ein grosses Angebot digitaler Medien nutzen oder sich Bücher per Post nach Hause schicken lassen.
Dienstleistungen dieser Art sollen in Zukunft von der gemeinsamen Bibliothek übernommen und ergänzt werden. Die neue Bibliothek mit den Beständen der Stadt- und Kantonsbibliothek wird die kleineren Bibliotheken im Kanton bei ihrer Arbeit unterstützen, sodass es auch auf dieser Ebene zu einer Verbesserung der bibliothekarischen Versorgung kommt.
Die Bibliothek Hauptpost anerkennt Bibliotheksausweise aller Gemeindebibliotheken im Kanton St.Gallen, mit denen das Angebot in der Hauptpost ohne Zusatzkosten genutzt werden kann.
Wird auch die Wyborada in der neuen Bibliothek untergebracht?
Der Bestand der Frauenbibliothek Wyborada soll in die künftige Bibliothek integriert werden. Wie dies geschehen wird, ist noch zu klären.
Bleibt die Bibliothek der Universität St.Gallen an ihrem Standort?
Der Kantonsrat hat 2004 entschieden, dass Kantons- und Universitätsbibliothek nicht zusammengeschlossen werden.
Die Universitätsbibliothek bedient Lehrende, Forschende und Studierende mit Literatur und Medien. Die Universität plant darüber hinaus, ein Learning Center für Lehrende und Studierende einzurichten, das ebenfalls auf die Bedürfnisse der Universitätsangehörigen ausgerichtet ist.
Die gemeinsame Kantons- und Stadtbibliothek hingegen wird eine Bibliothek für die ganze Bevölkerung sein, die vielfältigen Zielgruppen Medien und andere Dienstleistungen anbietet und an einem zentralen Standort in der Stadt St.Gallen liegt. Da sich die Ziele und Zielgruppen der Bibliotheken stark unterscheiden, wäre eine Zusammenlegung weder in strategischer noch in organisatorischer Hinsicht sinnvoll.
Die Kantons- und die Universitätsbibliothek arbeiten bereits jetzt in allen Bereichen, in denen eine Kooperation möglich und sinnvoll ist, eng zusammen – dies etwa beim gemeinsamen Aussenlager, beim Kurierdienst und bei der Ausbildung.
Wie funktioniert der Zusammenschluss von Kantonsbibliothek und Stadtbibliothek?
In der Bibliothek Hauptpost hat sich die Zusammenarbeit der Teams von Kantons- und Stadtbibliothek nach mehr als zwei Jahren als grosser Erfolg herausgestellt. Die Kooperation klappt ausgezeichnet und strahlt auch auf die Atmosphäre in der Bibliothek aus.
Ungeeignet ist die Organisationsform. Die Bibliothek Hauptpost besteht faktisch aus zwei parallel geführten Betrieben. Durch die Fusion sollen vereinfachte und effizientere Strukturen aufgebaut werden.
Braucht es in der digitalen Zeit noch Bibliotheken?
Die Nutzungszahlen von Bibliotheken steigen trotz der Digitalisierung an verschiedenen Orten, auch im Kanton St.Gallen. Bibliotheken sind schon lange keine blossen Hol- und Bringstationen mehr, sondern Orte der Begegnung und des Austauschs. Bibliotheken schaffen zudem Orientierung in der Informationsflut, indem sie Nutzer und Nutzerinnen bei der Recherche unterstützen und zur Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz beitragen. Zeitgemässe Bibliotheken, die ein umfangreiches Angebot an digitalen Medien aufweisen, werden auch in Zukunft gefragt sein – sie sind die neuen Marktplätze der Wissensgesellschaft.
Wann wird die neue Kantons- und Stadtbibliothek eröffnet?
Die Gesamtplanung für den Betrieb und den Bau ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, zu der auch entsprechende politische Entscheidungsprozesse gehören. Der Bezug der neuen Bibliothek ist gemäss aktuellem Fahrplan 2028/2029 geplant.